Nachhaltigkeit hat sich schrittweise zu einem der wichtigsten Themen im Verbraucheralltag entwickelt. Die deutlichen Preissteigerungen der vergangenen Monate haben in der Breite jedoch zu einem spürbaren Rückgang des nachhaltigen Konsums in Deutschland geführt. Besonders prägnant zeigt sich dies beim Einkauf von Lebensmitteln: Aktuell achten hier nach eigenen Angaben nur noch 48 Prozent der Bundesbürger verstärkt auf Nachhaltigkeit; 2021 taten dies noch 58 Prozent.
Aber auch in anderen Bereichen verliert der Trend zu nachhaltigerem Konsum an Schwung; droht sogar zum Luxusthema wohlhabenderer Bevölkerungsgruppen zu werden. Generell sinkt unter den Verbrauchern die Bereitschaft, für nachhaltige Produkte per se mehr zu bezahlen.
Zugleich haben Produzenten und Händler deutliche Probleme, ihre Nachhaltigkeitsbestrebungen glaubwürdig zu kommunizieren: Lediglich 12 Prozent der Bundesbürger vertrauen darauf. Statt vollmundiger Versprechen wünschen die Bundesbürger von den Unternehmen mehr Fakten zur Nachhaltigkeit, und auch von unabhängiger Seite beglaubigte Nachweise.
Dies zeigt die aktuelle Ausgabe des „Trendmonitor Deutschland“ des Marktforschungsinstituts Nordlight Research zum Schwerpunktthema: «Nachhaltigkeit im Reality-Check». Über 1.000 repräsentativ ausgewählte Bundesbürger ab 16 Jahren wurden ausführlich zum Thema nachhaltiger Konsum befragt.
Zugleich wurde die Entwicklung im Zeitraum zwischen 2021 und 2023 analysiert.
„Nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produktion sind große Ziele, die jetzt den Realitätstest bestehen müssen“, sagt Studienleiterin Liesa Fiegl, Senior Research Consultant bei Nordlight Research. „Aktuell sieht die Entwicklung teils eher ernüchternd und stagnierend aus. Die ökonomische Realität schränkt vorhandene Ambitionen ein. Auf längere Sicht zeigen sich dennoch deutliche Chancen und Potenziale, da viele Menschen weiterhin den Wunsch verspüren, nachhaltiger zu konsumieren.“
Wie nachhaltig sind die Deutschen aktuell im Alltag?
Ein Viertel der Bundesbürger (25%) gibt an, im praktischen Alltag bereits in starkem Maße auf Nachhaltigkeit zu achten (2021: 23%). Acht Prozent (2021: 9%) tun dies hingegen bisher nur sehr wenig bis gar nicht. Die große Mehrheit bewegt sich hier im Mittelfeld. Mit Blick auf die Zukunft bekunden zwei Drittel (2023: 64%; 2021: 67%) der Verbraucher die Absicht, ihr Alltagsverhalten stärker nachhaltig auszurichten. Zukünftig nicht mehr auf Nachhaltigkeit achten wollen hingegen neun Prozent (2021: 8%).
Konkreter zeigt sich: Rund jeder dritte Bundesbürger (2023: 37%; 2021: 33%) ist bereit, zugunsten von Nachhaltigkeit ein Stück Bequemlichkeit im Alltag aufzugeben. 41 Prozent (2021: 46%) zahlen für nachhaltige Produkte gerne auch etwas mehr. Eine signifikant wachsende Anzahl an Verbrauchern
(2023: 40%; 2021: 35%) geben aber auch an, sich Nachhaltigkeit finanziell nicht wirklich leisten zu können. Kurz: Nachhaltigkeit bleibt für viele Konsumenten ein ambivalentes Thema.
In welchen Bereichen achten Verbraucher am stärksten auf Nachhaltigkeit?
Haushalt (79%), Fortbewegung (52%) und Lebensmittel (48%) zählen zu den Feldern, in denen die Bundesbürger vergleichsweise am stärksten auf nachhaltiges und ressourcenschonendes Verhalten achten. Insbesondere im Haushalt, und teils auch bei der Mobilität, zeigt sich dies als „neue Sparsamkeit“ (reduzierter Verbrauch von Strom, Wasser, Benzin etc.). Angetrieben wird diese oft durch den eigenen Geldbeutel, nicht allein durch Nachhaltigkeitsüberlegungen.
Verstärkt gespart wird aktuell daher auch an den meist teureren nachhaltigeren Produkten (allen voran im Lebensmittelbereich, aber auch in anderen Konsumbereichen). Bemerkenswert ist auch, dass das Interesse an E-Autos, wie etwa auch an nachhaltigen Finanzprodukten, im Bevölkerungsdurchschnitt eher stagniert.
Nachhaltigkeit als wichtiges Kriterium bei Kaufentscheidungen
Besonders wichtig sind Nachhaltigkeitsaspekte den Deutschen bei ihren Kaufentscheidungen in folgenden Bereichen: Lebensmittel (59%; bleibt wichtigster Bereich trotz aktuell rückläufigem nachhaltigen Konsum), Energieversorgung (56%) sowie Pflege-, Kosmetik-, Hygiene- und Gesundheitsprodukte (50%).
Erst mit großem Abstand folgen das Auto (40%) und das Reisen (36%). Im Sektorenvergleich noch weit weniger wichtig ist den Konsumenten der Aspekt der Nachhaltigkeit bisher bei Vertragsabschlüssen in den Bereichen Finanzprodukte und Versicherungen (24%) und Telekommunikation (28%) sowie beim Ausgehen (25%). Oft fehlen hier aber auch noch für die Verbraucher in puncto Nachhaltigkeit unterscheidbare Angebote.
Die typisch nachhaltigen Konsumenten
Überdurchschnittlich hohe Nachhaltigkeitsscore-Werte auf dem Index „nachhaltiger privater Konsum“ erzielen aktuell unter anderem folgende Zielgruppen: Großstädter (33%), Early Adopter (33%), Besserverdienende (31%; Haushaltsnettoeinkommen über 3.000 Euro) und Familien mit Kindern (31%). Deutlich geringer fällt der Anteil besonders nachhaltigkeitsaffiner Verbraucher beispielsweise unter den Geringverdienern (18%) aus. Weiter ausdifferenzierte Zielgruppenanalysen in dieser Studie liefern Unternehmen, die nachhaltige Produkte anbieten, wertvolle Hinweise für deren Kommunikation und Vermarktung.
Übergreifend und mit Weitblick gilt: „Nachhaltiger Konsum darf kein Luxus sein. Und auch nicht allein eine Frage persönlicher Konsumstile“, sagt Thomas Donath, Geschäftsführer des Marktforschungsinstituts Nordlight Research. „Daher ist es Aufgabe der Produzenten und Händler – und richtungsgebend auch der Politik – möglichst allen Bevölkerungsgruppen einen nachhaltigeren Konsum zu ermöglichen. Denn auch weniger kaufkräftige oder ökoaffine Menschen bewegt der Wunsch, nachhaltiger zu leben und zu konsumieren.“
Unternehmen stehen in puncto Nachhaltigkeit vor großen Glaubwürdigkeitsproblemen
Aktuell haben es Unternehmen freilich schwer, ihre Nachhaltigkeitsbestrebungen glaubwürdig an die Kunden zu kommunizieren. Lediglich 12 Prozent der Bundesbürger halten diese in stärkerem Maße für glaubwürdig; 43 Prozent hingegen ausdrücklich nicht. Als mögliche Maßnahmen zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit in puncto Nachhaltigkeit finden besonders folgende Maßnahmen Anklang bei den Verbrauchern: konkrete Informationen zur Nachhaltigkeit auf den Produkten (48%), Testberichte zur Nachhaltigkeit (43%), Nachhaltigkeitssiegel (41%) oder Nachhaltigkeitsampeln (30%). Deutlich weniger wird auf reine Werbung mit Nachhaltigkeit vertraut (19%). „Insgesamt zeigt sich hier für die Unternehmen – wie auch für marktregulierende Stellen – noch sehr großes Verbesserungspotenzial“, sagt Liesa Fiegl.
Welche Marken werden als besonders nachhaltig wahrgenommen – und welche nicht?
Nachhaltigkeit entwickelt sich für Marken immer mehr zu einem relevanten Hygienefaktor und teils auch unmittelbaren Erfolgsfaktor. Daher wurde in der Trendmonitor-Deutschland-Studie «Nachhaltigkeit im Reality-Check» auch untersucht, welche Marken von den Verbrauchern als besonders stark oder wenig nachhaltig wahrgenommen werden, und wie nachhaltig sich die Unternehmen aus Verbrauchersicht nach außen darstellen. Unter insgesamt 48 untersuchten nationalen wie internationalen Marken schnitten der Modehändler Hessnatur, die Deutsche Bahn, die Lebensmittelhändler Edeka und Rewe sowie der Autobauer Tesla vergleichsweise am besten ab. Marken wie beispielsweise Zalando, Lufthansa oder Aida Cruises landen in der Verbraucherwahrnehmung ihrer Nachhaltigkeit derzeit auf den hinteren Rängen. „Aktuell stehen viele Unternehmen vor der Herausforderung, Nachhaltigkeitsaspekte adäquat in ihre Markenversprechen zu integrieren und dabei das Vertrauen ihrer Kundinnen und Kunden nicht zu verlieren“, sagt Thomas Donath.
Quelle: www.nordlight-research.com
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